„Im Sieb bleibt, wenn man es schüttelt, der Abfall zurück; so entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken.“ Sir 27,4
Zum Sieben von Getreide benutzt man zweierlei Siebe – ein feinmaschiges Sieb, um die Körner zurückzuhalten und kleinere Sandkörnchen fallen durch, oder ein grobmaschiges Sieb, bei dem die Körner aufgefangen werden und dabei das Gehäckselte und der Unrat im Sieb zurückbleibt.
Nun gut, jeder Vergleich mag hinken, aber würde man das Gehirn eines Kriegstreibers einem Sieb unterziehen, so ist man zunächst angesichts des blutigen und zerstörerischen Überfalls des Präsidenten Russlands und seiner Vasallen dermaßen schockiert und wütend, dass man ohnmächtig gerne bereit ist, um der Sache willen diesen Vergleich zu ziehen.
Glaubt man den Publikationen und Berichten, dann ist das verdeckte Vorhaben über die 20 Jahre der Herrschaft hinweg nun vollends ausgeschüttelt und das Ergebnis präsentiert sich in dem, was im Sieb aktuell und wohl auch in der Geschichte hängenbleibt: Ein Morden und Zerstören um der Vorherrschaft und dem eigenen Geltungsbedürfnis willen.
Die Textsequenz aus dem Buch Jesus Sirach hatte sicherlich andere Vorgänge im Blick und ist auch aus seinem Zusammenhang gerissen, dennoch lädt er aktuell zum Nachdenken ein.
Was tun mit dem Unrat, der sich allenthalben im Sieb des Lebens ansammelt und droht übermächtig Platz zu greifen?
Es mag angesichts der Ungeheuerlichkeit des aktuellen Kriegsgeschehen banal klingen und soll auch nicht davon ablenken, aber seien wir uns doch mal ehrlich: Haben wir nicht alle unsere kleinen Kriegsschauplätze, Morasthaufen und „Gottseidank“ nicht die Macht dazu diese im Flächenbrand auf die Menschheit abzuladen.
In den sozialen Medien können wir uns da trefflich die Dinge um die Ohren hauen und ständig im Sieb der anderen wühlen. Nun gut, da wird keiner erschossen, aber das Bombardement mit Worten hat gerade junge Leute schon häufig in die Depression und sogar in den Suizid getrieben.
Im Lukasevangelium des vergangenen Sonntags fordert Jesus seine Jünger auf, ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein auch im Hinblick auf das eigene Tun und Denken. „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“
Ich denke mal, die Fastenzeit kam mit dem Aschermittwoch gerade rechtzeitig, um sich mit dem Schmutz und Unrat des eigenen Lebens zu befassen. Buße und Umkehr braucht es im Großen und im Kleinen.
Das mindert nicht das Leid der Menschen, die durch zerstörerischen Krieg ihrer Existenz und ihres Lebens beraubt werden. Unsere Gebete und Solidaritätsbekundungen brauchen aber auch ernsthafte und spürbare Zeichen der Selbstbesinnung und des Wandels, auch im Umgang mit Diktatoren, Gasleitungen und Geldkreisläufen.
„Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?“ (Lk 6,39)
Also Augen auf und mal im eigenen Sieb des Lebens nachschauen, was uns so alles blind machen kann.
(Autor: Willi Breher)